Lena Stöhrfaktor über "Fallen oder fliegen"

Früchte des Zorns haben ihre Hörer_innenschaft jahrelang auf das neue Album "Fallen oder Fliegen" warten lassen. Das ist schon mal sehr sympathisch, da der Leistungszwang im Kapitalismus und der schnelllebige Markt auch nicht vor der linken Musikkultur Halt machen. Deswegen ist es schon ein Statement an sich, sich einfach mal 5 Jahre Zeit für ein Album zu nehmen, mit dem man selbst zufrieden ist, anstatt jedes Jahr eine halbherzige Scheibe zu servieren nur um im Gespräch zu bleiben. Mit diesem Album bleiben Früchte des Zorns sich und ihrer Linie treu, sowohl was die (Anti) Vermarktung ihres Produkts angeht als auch musikalisch und textlich. Mit beeindruckender Ehrlichkeit und einem hohen Maß an Selbstreflexion werden Themen bearbeitet, die uns alle betreffen, die aber von wenigen Interpreten bearbeitet werden. In den neuen Liedern geht es wieder viel um persönliche und zwischenmenschliche Erfahrungen, um Ängste vor der Zukunft und in der Gegenwart, die uns allen innewohnen, um die eigenen Vorstellungen vom Leben und den Umgang mit den Anforderungen, die das System und der darin stattfindende Alltag uns abverlangen. Dabei werden auch unangenehme Themen sensibel und gelungen angegangen wie Krankheit oder die Angst vor dem Tod. Diese geben dem Album eine enorme Schwere, die durch hoffnungsvolle und mutmachende Textstellen behutsam in einen Rahmen platziert werden, der diese Schwere aushalten lässt und ihr die Möglichkeit gibt da sein zu dürfen. Das alles geschieht auf eine extrem gefühlvolle und empathische Art und Weise wie z. B. im Titelsong "Fallen oder Fliegen". Dieser thematisiert sehr berührend tief sitzende Bindungsängste und den Umgang mit der Angst geliebt und angenommen zu werden als der Mensch, der man ist.

Die Texte des neuen Albums stellen eine Fortsetzung bisheriger Reflexionen und Gedanken, die auf den letzten Alben behandelt wurden, dar und lassen mich als Hörerin daran erfreuen, dass jemand sich, seine Gedanken und seine Mitmenschen ernst nimmt und versucht, an tiefgründigen Gedanken dranzubleiben. Schön ist auch, dass Anke und Hannah auf "Fallen oder Fliegen" mit jeweils einem Solotrack vertreten sind. Musikalisch sind FDZ wie immer zeitlos und deep unterwegs. Sie setzen und folgen keinem hippen neuen Trend, aber das wollen sie, glaube ich, auch gar nicht. Die Instrumente (wie gehabt bestehend aus Schlagwerk, Gitarre, Geige, Bratsche, Posaune) untermalen die Stimmungen der Lieder perfekt von melancholisch bis beschwingend (z. B. Reiselied) und schaffen viele Gänsehautmomente. Einer dieser Momente findet gleich im ersten Lied "Entscheidungen aus Angst" statt, wenn die Früchte gemeinsam den Refrain singen.

Früchte des Zorns versuchen Hoffnung zu geben und die Menschen in ihren inneren Werten zu bestärken, abseits von Oberflächlichkeit und Verwertungspotenzial. Bei mir funktioniert das, und ich fühle mich gestärkt nach dem Hören... Du bist größer als du bist!